Seit mehr als 35 Jahren ist die Philanthropin Julie Packard, treibende Kraft hinter dem Monterey Bay Aquarium in Kalifornien, eine der wegweisendsten Kräfte für den Erhalt der Ozeane. Sie spricht darüber, warum Plastikmüll auf ihrer Prioritätenliste für Ozeane nur auf Platz drei steht, hinter dem Klimawandel und nachhaltigen Fischereierzeugnissen; über die Bedeutung von Stiftungen und wie sie gerade ein Programm in Angriff genommen hat, das die nächste Generation von Wissenschaftlern inspirieren soll.

Nur wenig deutet in Julie Packards Hintergrund darauf hin, dass sie einmal eine der größten Retterinnen der Weltmeere werden würde. Packard, eine der Töchter von David Packard, Gründer von Hewlett-Packard und Elektronikmilliardär, wuchs im heutigen Silicon Valley in Kalifornien auf, das durch die Santa Cruz Mountains vom Pazifischen Ozean getrennt wird. An der Küste der Monterey Bay gab es kein großes Aquarium, bis sie und ihre Schwester ihre Eltern zum Bau eines Aquariums überredeten; und während die Familie auf eine Tradition in Wissenschaft und Technik zurückblickt, gab es keine nennenswerte Verbundenheit mit dem Thema Meere.

 

Und doch war es Packards Kindheit, umgeben von Natur, die ihr gesamtes Handeln inspirierte. „In den 50er Jahren war das heutige Silicon Valley sehr ländlich und mein Vater, obwohl er ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann wurde, war in Colorado am Rande der Prärie aufgewachsen. Im Herzen war er Rancher und hielt sich gerne im Freien auf. Ich wuchs in einem Aprikosenhain auf, und all das hat meine Werte geprägt.

 

In Kalifornien gab es dann einen enormen wirtschaftlichen Boom, und für einen Teenager in den 60er Jahren spielte die Umweltbewegung eine zentrale Rolle. Mir war klar, dass ich Biologie studieren wollte, denn Lebewesen faszinierten mich. Die Rettung der Ozeane war für mich keine Erleuchtung, es war eine tief verwurzelte Liebe und das Engagement für die Natur, die Sorge um ihren Schutz; man kann nicht über die Rettung der Natur sprechen, ohne die Ozeane zu retten. Damals fand der Erhalt der Ozeane nur wenig Beachtung.“

 

Packard wurde Meeresbiologin, und knapp ein halbes Jahrhundert später haben die unter ihrer Führung stehenden Institutionen und Teams bedeutende Aspekte der Beziehung des Menschen zu den Ozeanen revolutioniert und einige der effektivsten Maßnahmen zu deren Erhalt und Erholung federführend vorangetrieben. Seitdem sie seit der Eröffnung 1984 Geschäftsführerin des Monterey Bay Aquarium ist, hat sie beim Schutz zahlreicher wichtiger Lebensformen im Ozean, von Seetang über Quallen bis zu Seeottern, eine wegweisende Rolle übernommen.

 

Das Aquarium, eine der größten Touristenattraktionen im Gebiet San Francisco/Silicon Valley, übernimmt diverse Aufgaben; es bietet Familien, Besuchern und Schulen Unterhaltung (was gibt es Schöneres, als einen Mantarochen zu kitzeln), kümmert sich um den Schutz gefährdeter Spezies und verfolgt ein weitreichendes und ambitioniertes Bildungsprogramm für die nächste Generation von Wissenschaftlern. Vor Kurzem eröffnete es das Bechtel Education Center in einem spektakulären neuen Ökogebäude mit dem Ziel, „die nächste Welle von führenden Ozeanspezialisten zu inspirieren.“ Das Center erstreckt sich über 2.400 m2und vier Stockwerke, es umfasst vier Lernlabore, gemeinsame Lernflächen und Räumlichkeiten für Studenten und Wissenschaftler zum gemeinsamen Austausch. Laut Packard gehört das alles zum langfristigen Plan des Aquariums.

„Wir erkennen, wie wichtig es ist, dass die nächste Generation mit soliden wissenschaftlichen Kenntnissen aufwächst, aber auch mit Umweltthemen vertraut wird und ein Bewusstsein für sie entwickelt – mehr als je zuvor benötigen wir jetzt Menschen, die die Führung übernehmen, und mehr als je zuvor benötigen wir jetzt verbesserte Bildungsprogramme. Das Bechtel Education Center ist ein großes Projekt, wir haben viele neue Lernräume und Labore und wir werden Führungsentwicklungsprogramme durchführen. Den Lehrplänen staatlicher Schulen mangelt es an wissenschaftlicher Bildung.“

 

Packard ist zum einen voller Leidenschaft und zugleich im besten Sinne gelassen. Sie spricht ausführlich und begeistert über die vom Aquarium angeführten Projekte, aber man merkt auch, dass ihre Gefühle den Fakten nicht im Wege stehen. Eine Wissenschaftlerin im wahrsten Sinne.

 

Packard fügt hinzu, dass sie von der jüngsten Generation auf der Schwelle zum Erwachsensein begeistert und inspiriert ist. „Junge Erwachsene stehen der Möglichkeit, die Welt zu verändern, am optimistischsten gegenüber – die Bewegung junger Aktivistinnen und Aktivisten, die wir jetzt erleben, ist unglaublich und verkörpert genau das. Als Landbewohner hat unser Fokus immer auf dem Land gelegen. Erst im letzten Vierteljahrhundert begannen die Menschen zu realisieren, dass die Ozeane selbst eine kritische und erstaunliche Rolle spielen.“

 

„Das Bewusstsein, dass Klimawandel und die Gesundheit der Meere zusammenhängen, ist absolut entscheidend. Die Ozeane machen einen gewaltigen Teil des Systems aus, das Leben auf der Erde ermöglicht; und dieser Zusammenhang, wie der Klimawandel dem Ozean schadet und wie ein gesunder Ozean als Schutzwall gegen den Klimawandel fungiert, ist von grundlegender Bedeutung.

 

Die Menschen stellen diese Verbindung im Aquarium nicht immer her, aber wir versuchen hier ein Bewusstsein dafür zu schaffen: wie das Leben im Meer treibende Kraft in unserem globalen Klimasystem ist, wie die Meere seit der industriellen Revolution 90 Prozent der überschüssigen Hitze und 25 Prozent des überschüssigen Kohlenstoffs absorbiert haben. Einer Studie zufolge wäre die Erde ohne die Ozeane heute um 20 Grad heißer. Das erfordert lebende Ozeane, keine toten, denn diese Aufgabe übernehmen kleine mikroskopische Pflanzen, die in gewaltigem Umfang CO2 aus der Atmosphäre filtern.“

 

Wird es der private oder der öffentliche Sektor sein, der beim Erhalt der Ozeane die Führung übernimmt? „Ich glaube, zur Lösung des Klimawandels bedarf es einer konzertierten Aktion. Einige Meinungsumfragen waren sehr interessant. Menschen in den USA denken eher, der Privatsektor wird eine größere Rolle spielen, und manche meinen offenbar, die Technologie löst alle Probleme. In Europa ordnen die Menschen diese Aufgabe eindeutig dem öffentlichen Sektor zu. Regulierungen sind ein absolutes Muss, und zugleich spielen auch Lösungen der Industrie eine enorme Rolle.“

Für Packard ist der Erhalt der Ozeane kein Thema, das sich vom Klimawandel trennen lässt: Aus diesem Grund beantwortet sie Fragen über den Erhalt der Ozeane mit Antworten zum Umgang mit dem Klimawandel. Fragt man sie nach den größten Herausforderungen speziell der Weltmeere, antwortet sie ganz in wissenschaftlicher Manier; sie gibt vier Punkte an, priorisiert nach Wichtigkeit: globaler Klimawandel, nachhaltige Fischereiprodukte, Plastikmüll („Ist das die größte Gefahr? Nein, Klimawandel und Überfischung sind meiner Meinung nach bedeutender, aber es ist nach wie vor ein überaus kritisches Thema“) sowie Schaden des Ökosystems und Lebensraumverlust.

 

„Bei der Initiative des Aquariums, mit der ich mich am meisten beschäftige, geht es darum, was zu nachhaltiger Fischerei unternommen wird. Unser Seafood Watch Programm definiert Nachhaltigkeitsstandards und -kriterien, und unser Team hat ein Rating von über 2.000 Fischereibetrieben vorgenommen. Es begann mit der Idee, die Nachfrage nach nachhaltigen Fischereiprodukten anzukurbeln, indem man das Bewusstsein der amerikanischen Konsumenten für Fischereiprodukte steigert.“

 

„In den vergangenen 20 Jahren haben die Nachfrage und das Interesse der Medien zugenommen – diese Veränderungen brauchen einen langen Atem. Durch die Schaffung des Konsumentenbewusstseins erhielten wir die Aufmerksamkeit der Medien, wodurch wiederum die Unternehmen aufmerksam wurden. Daraufhin wollen die Handelsunternehmen ihre Praktiken und Ratings verbessern.“ Sie sagt, dass 85 Prozent der Händler von Fischereiprodukten in den USA sich verpflichtet haben, ihre Produkte in ein Rating-System für Nachhaltigkeit einzubringen: Seafood Watch ist das größte System dieser Art weltweit. Das System ist international: So haben sich beispielsweise 100.000 Shrimps-Farmen in Vietnam den Seafood Watch Standards verpflichtet.

 

Für sie ist das, so sagt sie, ein Kernelement der Blue Economy. „Dass Unternehmen ihre Bemühung zur Schadensbegrenzung erhöhen, ist ein Muss, noch wichtiger ist es allerdings, dass sie auf unserem Weg zur Nachhaltigkeit einen entscheidenden Beitrag leisten. Wenn die Blue Economy erwähnt wird, denke ich zunächst an Aquakultur, die ein sehr wichtiger Teil der globalen Nahrungssicherheit ist und bleiben wird. Sie kann gut laufen, aber auch tatsächlich schädliche Auswirkungen haben… Deshalb müssen Investoren auf Nachhaltigkeit drängen. Das Hauptaugenmerk liegt auf Zuchtlachs und Shrimps, den Meeresprodukten, die in Amerika den höchsten Absatz finden. Unser Team und andere NGOs arbeiten am Umgang mit Nachhaltigkeitsproblemen, die von diesen Produkten ausgehen. Das wird einen zunehmenden Teil unserer Blue Economy ausmachen.“ 

 

montereybayaquarium.org

 

Gründung einer Stiftung

In den 60er Jahren gründeten meine Eltern The David and Lucile Packard Foundation, und dieses Jahr haben wir 50-jähriges Jubiläum gefeiert. Die Stiftung ist heute eine der größten in den USA und gehört zu den größten Geldgebern für umweltfreundliche Projekte. [Mein Rat ist], wenn Sie über die entsprechenden Mittel verfügen, suchen Sie sich Projekte, die Ihnen am Herzen liegen, und tragen Sie auf Ihre individuelle Art und Weise dazu bei. Manche Menschen investieren gerne in Menschen. Einige Philanthropen mögen Ideengeber, die aus eingefahrenen Mustern ausbrechen, andere setzen auf strategisch orientierte Entscheidungssysteme. Es gibt ein großes Spektrum wunderbarer Arbeiten, die Stiftungen unterstützen können, weil sie Risiken eingehen können. Unternehmen haben ein anderes Ziel. Stiftungen übernehmen eine unglaublich wichtige Rolle, um Dinge umzusetzen, die weder die Politik noch die Wirtschaft allein bewältigen können.

 

 

Dieser Artikel erschien erstmalig in der Sommerausgabe 2020 des LUX Magazins. Der Artikel erscheint in der ersten Ausgabe einer Beilagenreihe von Deutsche Bank Wealth Management/LUX über unsere Ozeane und deren Bedeutung für das Wohl von Umwelt und Wirtschaft. 

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