Die weltweite Konjunkturerholung erweist sich als etwas holprig. Der Umgang mit dem Coronavirus fällt je nach Land sehr unterschiedlich aus (von „null Toleranz“ bis zu einem „geimpften Nebeneinander“); deshalb gibt es auch große Unterschiede beim Tempo der Öffnungen und es kommt immer wieder zu vorübergehenden Lockdowns. Trotz allem wird sich das Wirtschaftswachstum durchsetzen.
Die Geldpolitik bleibt im Mittelpunkt: Die Notenbanken diskutieren zunehmend über den besten Zeitpunkt, um bei der geldpolitischen Unterstützung einen Gang zurückzuschalten, wenn der Bedarf für solche Maßnahmen abnimmt. Eine geldpolitische Verknappung wird hier aber weniger grundlegende Auswirkungen haben, als man vielleicht vermuten könnte. Selbst nach der versprochenen Reduzierung der Anleihekäufe (Tapering) und anschließend folgenden Zinsanhebungen wird die finanzielle Repression in Form einer negativen Realverzinsung (Nominalverzinsung abzüglich Inflation) bestehen bleiben. Die Renditen von Staatsanleihen werden deutlich unter dem Niveau bleiben, das normalerweise mit einem schnellen Wirtschaftswachstum in Verbindung gebracht wird. Es ist und bleibt eine untypische Konjunkturerholung.
Wer sich einzig und allein auf die Geldpolitik konzentriert, läuft aber Gefahr, andere wichtige wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen zu verpassen. Die Weltwirtschaft wird in vielerlei Hinsicht den Gang wechseln, wenn Staaten, Unternehmen und Privatpersonen versuchen, sich an die neue Realität anzupassen. Dafür gibt es kurzfristig bereits reichlich Belege, zum Beispiel die Probleme in den globalen Lieferketten (die sich unter anderem in hohen Frachtraten und Lieferengpässen bei Halbleitern zeigen).
„Die Weltwirtschaft schaltet in vielerlei Hinsicht in einen anderen Gang, und die Anpassung wird weitergehen. Deshalb bleibt das Umfeld für risikobehaftete Anlagen günstig, aber es ist entscheidend, nicht in Euphorie zu verfallen oder nachlässig zu werden.“
Christian Nolting, Globaler Chefanlagestratege Deutsche Bank Privatkundenbank
Dabei stehen weitere Anpassungen bevor. Unser Ausblick für dieses Jahr trug den Titel „Tektonische Verschiebungen“; darin haben wir darauf hingewiesen, dass viele strukturelle Schwierigkeiten in der Weltwirtschaft ihren Ursprung bereits vor der Corona-Pandemie hatten. Die Ungleichgewichte lassen sich unter anderem an den Arbeitsmarktzahlen und an der steigenden Staatsverschuldung ablesen, aber langfristig könnten die weniger quantifizierbaren Folgen wichtiger sein – zum Beispiel die Auswirkungen von europäischen Konjunkturhilfen auf die regionale Integration. Die Pandemiefolgen liefern auch einen Vorwand für bewusste Kurswechsel in sozialen Fragen; darunter fällt zum Beispiel die neue Entwicklung, dass China „Wohlstand für alle“ wieder über ein möglichst schnelles Wachstum stellt. Pekings neue Prioritäten, die sich in Regulierungsänderungen und Einschränkungen für einzelne Sektoren (darunter Technologie und Immobilien) niederschlagen, haben bereits weitreichende Implikationen für die Geldanlage. Die Notwendigkeit von härteren Umweltschutzmaßnahmen weltweit dürfte ebenfalls große Veränderungen mit sich bringen, und hier hat die Reise gerade erst begonnen.
Was bedeutet das für Investoren? Das Investmentumfeld ist komplizierter geworden, aber es lohnt sich, zwei Dinge im Hinterkopf zu behalten: Die meisten Volkswirtschaften verzeichnen ein hohes Wachstum, und sowohl die Fiskal- als auch die Geldpolitik werden weiterhin Unterstützung bieten. Obwohl wir in einigen Bereichen schon bald den Höhepunkt überschreiten werden (zum Beispiel bei den Wachstumsraten von Unternehmensgewinnen und Volkswirtschaften), dürften die Rahmenbedingungen für risikobehaftete Anlageklassen wie Aktien günstig bleiben – wenn auch vielleicht mit weniger exorbitanten Zuwächsen als in den vergangenen Monaten. In der Folge könnten alternative Investitionen in „Realvermögen“ an Bedeutung gewinnen, auch in illiquide Anlageklassen (z.B. über Private Equity oder Venture Capital).
In einer Phase, in der vieles im Fluss ist (gesellschaftlich, gesamtwirtschaftlich und in einzelnen Unternehmen), ist es wichtig, nicht in Euphorie zu verfallen oder nachlässig zu werden. Geldpolitische und andere Maßnahmen werden die Märkte beeinflussen, und die Geldpolitik kann nach wie vor für Spannungen sorgen. Geopolitische Risiken (zum Beispiel in Asien oder bei den Beziehungen zwischen den USA und China) machen sich ebenfalls bemerkbar. Wenn die Weltwirtschaft in vielerlei Hinsicht den Gang wechselt, wird es viele Chancen geben, das ändert aber nichts an den Anlageregeln: innovativ und offen für neue Ansätze bleiben, zwischen vorübergehenden und strukturellen Veränderungen unterscheiden und vor allem das Portfoliorisiko konsequent steuern.
Unser vollständiger CIO Insights-Bericht „Gangwechsel“ enthält Wirtschaftsprognosen für 2021 und 2022 sowie Zusammenfassungen des Ausblicks für einzelne Anlageklassen und Prognosen bis Ende September 2022. Informationen und Risikowarnungen finden Sie in den wichtigen Hinweisen am Ende des Berichts.
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Hauptanlagethemen
Das TEDS-Dreieck: Technologie | Demografie | Nachhaltigkeit ("Sustainability")
Auswirkungen auf Ihre Anlagen in 2021
Erfahren Sie mehr über unsere Investitionsauswirkungen für 2021, die wir in unserem Jahresausblick 2021 im Dezember 2020 identifiziert haben.