Die Debatte bei der Deutschen Bank zeigt, dass Wachstum Teil der Lösung sein muss, wenn wir einen katastrophalen Klimawandel verhindern und die Ungleichheit weltweit reduzieren wollen.
Unsere Gesellschaft und sämtliche ihrer Systeme brauchen Wachstum. In den vergangenen Jahrzehnten wurden durch die weltweite Anwendung dieses Grundsatzes hunderte Millionen Menschen aus der Armut geführt. Doch geht ein großer Teil des Wachstums zu Lasten der Umwelt. Mit dem Wohlstand steigen auch Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung. In der Wissenschaft ist man sich darüber einig, dass unser Klima sich rapide erwärmt und es dringend gezielter Maßnahmen bedarf, um die verheerenden Folgen für die Umwelt abzuwenden.
Vor diesem Hintergrund stellte die Deutsche Bank im Januar 2020 auf dem Weltwirtschaftsforum eine provokative Frage: „Ist Wachstum eine Illusion?“ Angesichts von Kreditaufnahmen auf einem historisch hohen Niveau und der Gefahren für die Umwelt wollten wir der Frage nachgehen, ob das Wachstum bedroht ist oder ob sich am Horizont neue Wachstumstreiber zeigen. Deshalb haben wir weltweit führende Experten aus Wirtschaft und Finanzen, Wissenschaft und Klimatologie in unsere Räumlichkeiten im verschneiten Davos eingeladen, um dort unsere Führungskräfte und Kunden im engeren Kreis zu treffen.
„Umfangreiche Umweltschutzinvestitionen sind notwendig, aber Wachstum muss Teil der Lösung sein und darf bei allen Bemühungen nicht untergehen.”
Jim Reid
Global Head of Thematic Research, Deutsche Bank
Balance von Wachstum und Umweltschutz: Eine optimistische Sichtweise
Eine der vielen Gesprächsrunden leitete Claudio de Sanctis, Globaler Leiter Deutsche Bank Wealth Management. Zu der Veranstaltung mit dem Titel „Tackling climate change and driving growth“ (Auf den Klimawandel reagieren und Wachstum fördern) waren zwei Gastredner eingeladen, die in der Debatte um den Klimawandel an vorderster Front stehen.
Lord Nicholas Stern, Vorsitzender des Grantham Research Institute on Climate Change and the Environment, zeigte sich zuversichtlich, was das Erreichen von nachhaltigem Wirtschaftswachstum für die Weltwirtschaft betrifft. Er gab auch deutlich zu verstehen, dass Wachstum und ökologische Verantwortung Hand in Hand gehen müssen. „Kurzfristig kommt es darauf an, unsere Investitionen um neue Technologien zu ergänzen, die deutlich sauberer und effizienter sind – diese werden das Wachstum vorantreiben“, sagte er. Solche Investitionen dürften nämlich eine positive Dynamik entwickeln: „In Städten, in denen wir uns freier bewegen und atmen können, werden wir auch weitaus produktiver sein.“
Der ehemalige isländische Präsident Ólafur Ragnar Grímsson ist heute Vorsitzender des Arctic Circle, die Organisation widmet sich dem internationalen Dialog und der Kooperation in Bezug auf die Zukunft der Arktis. Auch er zeigte sich optimistisch, nicht zuletzt wegen der gewaltigen Fortschritte, die China in den letzten Jahren bei der Entwicklung und Verbreitung erneuerbarer Energien erzielt hat. Obwohl das Land zu den größten Kohlendioxid-Emittenten der Welt zähle, sei es inzwischen weltweit führend in Solarenergie, Windkraft, Elektrifizierung des Verkehrs und Erdwärmeheizung im städtischen Raum, sagte er und fügte hinzu, dass all dies in nur zehn Jahren erreicht wurde. „Solarkraft kann sich kostenmäßig unter anderem nun deshalb mit Öl und Kohle messen, weil China – und Indien – so offensiv in die Sonnenenergie eingestiegen sind.“
Mögliche Folgen nachhaltigen Wachstums für die Weltwirtschaft
Wie unser CIO-Team in seinem Jahresausblick 2020 berichtet, zeichnet sich beim globalen Wirtschaftswachstum eine Verlangsamung ab. Ressourcenverwaltung wird daher langfristig ein nicht zu vernachlässigendes Investitionsthema sein. Auch Investitionen auf Basis von ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) nehmen rapide zu.
Diese Sichtweise teilt Jim Reid, Global Head of Thematic Research bei der Deutschen Bank. „Die Geschichte lehrt uns, dass Wachstum äußerst positive Auswirkungen auf die menschliche Entwicklung hat im Sinne von Wohlstand, Innovation und Gesundheit“, sagt er. „Ohne Wachstum werden der Menschheit künftig wahrscheinlich noch größere Herausforderungen drohen.“ Für den Umgang mit dem Klimanotstand schlägt er vor: „Wachstum muss Teil der Lösung sein und darf bei allen Bemühungen nicht untergehen.“
Einen englischen Sonderbericht von Jim Reid mit dem Titel „Davos 2020: We need to talk about (sustainable) growth“, finden Sie hier.