Turning Points – Patric Faßbender & Marcus Stahl
Die Gründer der Toniebox über die verschiedenen Arten von Mut, die Unternehmerinnen und Unternehmer haben müssen: zur Lücke, zum nächsten Expansionsschritt – und zum Ausstieg.
Eine deutsche Erfolgsgeschichte im Zeitraffer: In nur zehn Jahren haben Marcus Stahl und Patric Faßbender die Tonieboxen groß gemacht, in die USA und an die Börse gebracht, um auf dem Gipfel des Erfolges auszusteigen. Ihre Ratschläge an Gründer*innen, die auch so etwas vorhaben – und eine ungewöhnliche Selbsterkenntnis.
Gefunkt hat es nicht bei einem Meeting oder auf einer Konferenz, sondern: im Kindergarten. Stahl und Faßbender engagierten sich dort im Vorstand. „Wir waren nicht direkt befreundet“, erinnert sich Stahl, „aber wir haben uns kennen und schätzen gelernt.“ Unterschiede ziehen sich an: Da der Kreative im Flanellhemd, damals noch mit langen Haaren, hier der eher konservative Ingenieur. Oder, wie Musikliebhaber Stahl es ausdrückt: „Hier Punk, da Klassik“.
2013 kommt Patric Faßbender mit einem Vorhaben auf Stahl zu, das mit dem Kindergarten nur indirekt zu tun hat. Er habe da eine Idee. Und die sei so groß, dass er seinen Job als Werber aufgebe und sich sage: „Das mache ich jetzt.“ Der Düsseldorfer ärgert sich damals immer wieder über die kaputten CDs seiner hörspielbegeisterten Töchter. Also sucht er nach einer Alternative. Einer kindgerechten Alternative – und die sieht er nicht in MP3-Playern und im iPhone. So entsteht die Idee zur Toniebox, dem Audio-Würfel, auf die Kinder Figuren stellen, die dann Geschichten auslösen.
Der gelernte Grafikdesigner Faßbender hat damals zwar Support von seiner Frau, einer Illustratorin: „Aber es war klar: Ich brauche noch jemanden, der andere Fertigkeiten mitbringt. Das ganze Kreative deckte ich gut ab, aber Finanzen und Zahlen haben mich nicht so interessiert, da kam mir Marcus in den Sinn.“
Erfolgsgeheimnisse Alter und Ahnungslosigkeit
Das ist im Frühjahr 2013. Beide sind da Anfang 40 – zu alt zum Gründen? Marcus Stahl: „Das hat auch Vorteile, wir hatten ein großes Netzwerk aufgebaut, kannten viele Leute. Das hat wahnsinnig viel beschleunigt.“ Er könne daher heute jedem voller Überzeugung raten, noch in den 40ern und auch in den 50ern zu gründen. Ein weiteres Erfolgsgeheimnis offenbart Faßbender: „Es ist ein Riesenvorteil, wenn man erst mal wenig Ahnung von einem Thema hat, weil man viel offener an neue Themen rangeht. Man hat ein viel größeres Spektrum möglicher Antworten auf Fragen.“
Für ihn ist damals klar: „Wir marschieren jetzt los.“ Zum Marschieren brauchen die beiden aber auch einen starken Finanzpartner. Den finden sie 2015 mit der Deutschen Bank. Zahlenmensch Stahl: „Die Deutsche Bank hat zum frühen Zeitpunkt an uns geglaubt, ist bis heute ein toller Partner.“ Sie sorgt für die benötigten Wachstumsfinanzierungen und das Working Capital, ist ständiger Ansprechpartner vor Ort in Düsseldorf. „Eine sehr, sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit“, sagt Stahl. Und das über mittlerweile fast zehn Jahre.
USA und tonies: Das passt sofort
tonies entwickelt sich vom Start weg rasant, ist schon im zweiten Jahr profitabel. „Die Businesspläne waren immer falsch“, lacht Stahl. 2016 startet die Produktion der Boxen. 2017 verkaufen tonies schon 148.000 Stück. 2018 sind es 600.000, 2021 dann erstmals mehr als eine Million im Jahr. Was das Wachstum beschleunigt: die Expansion ins Ausland, denn, so Faßbender: „Wir wollten weltweit in die Kinderzimmer.“ Zum Start geht es nach Großbritannien. Doch das ist nur die Brücke in einen viel größeren Markt: Amerika. 2020 zum Weihnachtsgeschäft geht tonies dann in die USA. Faßbender: „Ein unfassbar großes Land, das sehr anspruchsvoll ist in Sachen Kommunikation, Vertrieb, Logistik. Aber wir hatten einfach Bock darauf.“ Und die US-Käufer*innen haben Bock auf tonies. Die USA sorgen sofort für einen Umsatzsprung und sind heute der größte Markt für das Unternehmen.
Dann der nächste Meilenstein: Börsengang im November 2021. tonies wird zum Start mit einer Milliarde Euro bewertet. In der Folge wächst die Firma auf 600 Mitarbeitende und rund 360 Millionen Umsatz im Geschäftsjahr 2023. Für die beiden Gründer, weiterhin in der operativen Führung, kommt der Zeitpunkt, in dem sie sich fragen: „Gibt’s Personen, die das besser können als wir?“, wie Faßbender rückblickend sagt. Stahl und er bezweifeln damals, dass sie die Richtigen sind, „um weiter zu skalieren“. Stahl dazu: „Das Unternehmen hatte eine Größe angenommen, die andere Strukturen brauchte, andere Prozesse und andere Personen im Management.“
Zwei Gründe für den reibungslosen Chefwechsel
Also fassen sie den Entschluss, die Führung abzugeben und sich aus dem Vorstand zurückzuziehen. Was folgt, beschreibt das „Manager Magazin“ so: „Den beiden Gründern gelingt, was selten klappt: die reibungslose Übergabe an einen neuen CEO von außerhalb.“ Wie das gelingt? Faßbender: „Der wichtigste Punkt war, dass es durch Marcus und mich getriggert war. Wir wollten diesen Schritt gehen.“ Zweiter wichtiger Punkt: „Eine unserer Fähigkeiten ist, dass wir gut Menschen erkennen können – und da hatten wir bei Tobias von Anfang an ein sehr gutes Gefühl.“ Mit Tobias ist Tobias Wann gemeint, 2023 noch CEO des Software-Unternehmens Xempus. Er kristallisiert sich unter etwa 15 Kandidat*innen, die vorstellig werden, in vielen Gesprächen als Nachfolger heraus. Man verbringt viel Zeit miteinander, bevor Wann zum Jahresstart 2024 übernimmt. Die Gründer wechseln in den Aufsichtsrat. Heute sind sie selten in der Firma in der Düsseldorfer City, teilen sich ein Büro, sind zweitgrößte Aktionäre bei tonies und als Investoren auf der Suche nach ähnlich zündenden Ideen. Aus zwei Vätern, die sich geschätzt haben, sind nicht nur erfolgreiche Gründer, sondern auch „dicke Freunde“ geworden. Eine Haupterkenntnis gibt Faßbender Leuten, die es ihnen nachmachen wollen, mit auf den Weg: „Entscheidungen zu treffen, ist das Wichtigste. Auch wenn sie falsch sind. Dann kann man sie revidieren.“
Zeitstrahl: tonies' Wendepunkte
Gründung
Patric Faßbender hat die Idee einer spielerischen Audio-Box für Kinder und begeistert seinen Kita-Bekannten Marcus Stahl dafür. Beide gründen die Boxine GmbH.
Produktionsstart
Die ersten Tonieboxen mit insgesamt 14 Figuren kommen auf den Markt. Erste Figur ist der Löwe, der nicht schreiben konnte, erster Lizenzgeber der WDR.
Wachstumsschub
Nach 30.000 im ersten Jahr wächst der Jahresabsatz rasant auf 140.000 Boxen.
Auslandsexpansion
tonies expandiert nach Großbritannien und Irland.
Meilenstein
tonies wagt den Sprung in die USA, heute der größte Markt für das Unternehmen.
Börsengang
Boxine geht an die Börse und benennt sich in Tonies SE um. Das Unternehmen wird mit 870 Millionen Euro bewertet.
Ausstieg
Die beiden Gründer beschließen, sich aus der Führung des Unternehmens zurückzuziehen und in den Aufsichtsrat zu wechseln.
Chefwechsel
Der Software-Manager Tobias Wann wird zum 1. Januar neuer CEO.
"Turning Points"
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